Bedeutung und Ablauf des Volkstrauertags
Der Volkstrauertag am 16. November 2025 verbindet stilles Gedenken mit öffentlichen Zeremonien, die von der zentralen Gedenkstunde im Bundestag bis zu lokalen Veranstaltungen auf Friedhöfen reichen.
Wofür steht der Volkstrauertag?
Der Volkstrauertag erinnert Sie an alle Opfer von Gewalt und Krieg weltweit. Seit 1952 gedenken Sie nicht mehr nur den gefallenen deutschen Soldaten, sondern allen Menschen, die durch Gewaltherrschaft und Krieg den Tod fanden.
Als einer der stillen Feiertage in Deutschland lädt der Gedenktag Sie zur Besinnung ein. Sie reflektieren über Frieden, Versöhnung und Menschlichkeit.
Der Tag steht für Solidarität mit Trauernden und mahnt zur Friedensarbeit. Sie werden daran erinnert, dass Frieden keine Selbstverständlichkeit ist.
Die ursprüngliche Botschaft von 1922 – „Versöhnung über den Gräbern“ – prägt den Volkstrauertag bis heute. Sie sollen aus der Vergangenheit für eine friedlichere Zukunft lernen.
Zentrale Gedenkstunde im Bundestag
Die wichtigste Veranstaltung findet im Bundestag in Berlin statt. Der Bundespräsident hält dort die zentrale Gedenkrede vor den Abgeordneten und geladenen Gästen.
Die Gedenkstunde folgt einem festen Ablauf:
- Begrüßung durch den Bundestagspräsidenten
- Totenliste der letzten Gewaltopfer
- Hauptrede des Bundespräsidenten
- Kranzniederlegung
Musikalisch umrahmt wird die Zeremonie durch das Lied „Der gute Kamerad“ und die Nationalhymne. Die Bundeswehr stellt eine Ehrenformation.
Sie können die Gedenkstunde live im Fernsehen verfolgen. Die Reden werden landesweit übertragen und dokumentiert.
Öffentliche Veranstaltungen und Gedenkfeiern
In ganz Deutschland finden am Volkstrauertag öffentliche Veranstaltungen statt. Sie können an Gedenkfeiern auf Friedhöfen, in Kirchen oder an Denkmälern teilnehmen.
Typische Elemente lokaler Veranstaltungen:
- Kranzniederlegungen an Kriegsdenkmälern
- Gottesdienste in den Kirchen
- Lesungen von Totenlisten
- Musikaufführungen mit „Der gute Kamerad“
Viele Gemeinden organisieren Gedenkveranstaltungen auf ihren Friedhöfen. Dort legen Sie Kränze an Gräbern von Kriegsopfern nieder.
Die Flaggen wehen an diesem Tag auf halbmast. Sie zeigen damit öffentlich Ihre Trauer und Ihr Gedenken.
Beteiligte Institutionen und Akteure
Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge koordiniert den Volkstrauertag seit seiner Entstehung. Als wichtigster Träger organisiert er bundesweit Veranstaltungen.
Weitere beteiligte Akteure sind:
- Kirchen beider Konfessionen
- Militärische Verbände und Reservistenverbände
- Kommunale Verwaltungen
- Veteranenorganisationen
Die Bundeswehr unterstützt mit Ehrensalven und Ehrenformationen. Soldaten nehmen an Kranzniederlegungen teil und gestalten die Zeremonien mit.
Lokale Verbände wie Feuerwehr, THW und Vereine beteiligen sich an den Gedenkfeiern. Sie tragen durch ihre Teilnahme zur breiten gesellschaftlichen Verankerung bei.
Geschichte und Entwicklung seit 1919
Der Volkstrauertag durchlief seit seiner Entstehung 1919 mehrere tiefgreifende Wandlungen – von einem Gedenktag für Kriegstote des Ersten Weltkriegs über die nationalsozialistische Umdeutung zum „Heldengedenktag“ bis hin zur heutigen Form des Gedenkens an alle Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft.
Ursprünge nach dem Ersten Weltkrieg
Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge gründete sich 1919 als direkte Antwort auf die verheerenden Verluste des Ersten Weltkriegs. Millionen von Angehörigen suchten nach ihren gefallenen Männern, Söhnen und Brüdern.
Der erste offizielle Volkstrauertag fand am 5. März 1922 statt. Du magst dich über das Datum im März wundern – der Volksbund wählte bewusst den Frühling als Symbol für einen „deutschen Aufbruch“ nach dem Winter des Krieges.
Die zentrale Feierstunde im Deutschen Reichstag prägte Reichstagspräsident Paul Löbe mit seiner Rede: „Leiden zu lindern, Wunden zu heilen, aber auch Tote zu ehren, bedeutet Abkehr vom Hass, bedeutet Hinkehr zur Liebe.“
Wichtige Merkmale der Anfangszeit:
- Solidarität zwischen Betroffenen und Nichtbetroffenen
- Säkularer Gedenktag, losgelöst von kirchlichen Feiertagen wie Allerheiligen, Allerseelen oder Totensonntag
- Ablehnung großer Ehrenmäler zugunsten eines „ideellen Mahnmals“
Bereits früh zeigten sich jedoch problematische Entwicklungen. Die Veranstaltungen wurden zunehmend von martialischen Reden und nationaler Symbolik geprägt, was sozialistische Organisationen befürchtet hatten.
Volkstrauertag während der NS-Zeit
1934 verwandelte das nationalsozialistische Regime den Volkstrauertag grundlegend. Per Gesetz wurde er zum Staatsfeiertag und „Heldengedenktag“ umbenannt.
Die NSDAP und die Wehrmacht übernahmen die Trägerschaft. Propagandaminister Joseph Goebbels erließ neue Richtlinien und schrieb 1936, dass Trauern „so ganz und gar unnationalsozialistisch“ sei.
Zentrale Veränderungen unter der NS-Herrschaft:
- Fahnen wehten nicht mehr auf Halbmast, sondern voll gehisst
- Martialische Ausstrahlung der Veranstaltungen
- Glorifizierung des „Heldentods“ statt Trauer um Verluste
- Vollständige Instrumentalisierung für NS-Propaganda
Diese Perversion des ursprünglichen Gedankens dauerte bis zum bitteren Ende 1945 an. Der Gedenktag wurde zur Vorbereitung auf den nächsten Krieg missbraucht.
Neuausrichtung in der Bundesrepublik
Nach 1945 knüpfte die Bundesrepublik an die ursprünglichen Intentionen von 1922 an. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge nahm seine Arbeit in den westlichen Besatzungszonen wieder auf.
1950 fand erstmals wieder eine zentrale Feierstunde im Deutschen Bundestag statt. Der Termin wurde auf den vorletzten Sonntag im Kirchenjahr verlegt – zwei Sonntage vor dem ersten Advent.
Diese Verlegung erfolgte nach Übereinkunft zwischen Bundesregierung, Ländern und den großen Glaubensgemeinschaften. Damit rückte der Tag näher an traditionelle Gedenktage wie Totensonntag heran.
Wichtige Entwicklungen der Erinnerungskultur:
- Zunächst Gedenken nur an gefallene Weltkriegssoldaten
- Später Ausweitung auf alle Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft
- Betonung von Versöhnung und Friedensarbeit
- Einbeziehung ziviler Opfer und Verfolgter
Volkstrauertag in DDR und Wiedervereinigung
Die DDR schuf 1952 einen eigenen Gedenktag: den „Internationalen Gedenktag für die Opfer des faschistischen Terrors und Kampftag gegen Faschismus und imperialistischen Krieg“.
Die SED wollte sich bewusst vom westdeutschen Volkstrauertag abgrenzen. Der ostdeutsche Gedenktag betonte den antifaschistischen Widerstand und die Solidarität mit der Sowjetunion.
Nach der Wiedervereinigung 1990 wurde der westdeutsche Volkstrauertag auf das gesamte Deutschland ausgedehnt. Die ostdeutsche Variante verschwand mit dem Ende der DDR.
Unterschiede zwischen Ost und West:
- DDR: Betonung des Klassenkampfes und Antifaschismus
- BRD: Versöhnung und allgemeines Kriegsopfergedenken
- DDR: Staatlich verordnet durch die SED
- BRD: Zivilgesellschaftlich vom Volksbund getragen
Heute verbindet der Volkstrauertag beide deutsche Erinnerungskulturen zu einem gemeinsamen Gedenken an alle Opfer von Gewalt und Verfolgung.