Das Leben des heiligen Martin
Martin von Tours lebte von etwa 316 bis 397 und stammte aus Savaria im heutigen Ungarn. Seine Zeit als römischer Soldat prägte ihn ebenso wie seine spätere Berufung als Bischof von Tours in Frankreich.
Kindheit und Herkunft
Martin wurde um 316/317 in Savaria geboren, einer Stadt in der römischen Provinz Pannonia prima. Diese liegt im heutigen Szombathely in Ungarn.
Sein Vater war ein römischer Militärtribun. Dies bedeutete, dass Martin in eine Soldatenfamilie hineingeboren wurde.
Seine Jugend verbrachte er in Pavia in Oberitalien. Dort kam er zum ersten Mal mit dem christlichen Glauben in Berührung.
Im Alter von zehn Jahren wurde Martin in die Gruppe der Katechumenen aufgenommen. Diese waren Taufbewerber, die sich auf die Taufe vorbereiteten.
Martin folgte widerwillig dem Wunsch seines Vaters und begann eine militärische Laufbahn. Als Sohn eines römischen Offiziers war er nach den damaligen Gesetzen zum Militärdienst verpflichtet.
Zeit als römischer Soldat
Mit 15 Jahren wurde Martin zur Leibwache von Kaiser Konstantin II. eingezogen. Er diente zunächst in Mediolanum, dem heutigen Mailand.
Ab 334 war er als römischer Soldat bei der Reiterei der Kaiserlichen Garde in Amiens stationiert. Diese Position brachte ihn in direkten Kontakt mit den Menschen der Stadt.
Im Jahr 351 ließ sich Martin von Bischof Hilarius von Poitiers taufen. Da war er bereits 34 oder 35 Jahre alt.
Seine Militärzeit endete 356 dramatisch. Bei einem Feldzug gegen die Alamannen unter dem späteren Kaiser Julian verweigerte Martin die Teilnahme an der Schlacht.
Er erklärte, er sei nun nicht mehr miles Caesaris (Soldat des Kaisers), sondern miles Christi (Soldat Christi). Daraufhin bat er um seine Entlassung aus der römischen Armee.
Das Teilen des Mantels
Die berühmteste Legende um Martin ereignete sich während seiner Zeit als Soldat in Amiens. Diese Geschichte prägte sein Leben und seine Verehrung nachhaltig.
Martin begegnete am Stadttor einem unbekleideten Bettler. Er trug nur seine Waffen und seinen Militärmantel bei sich.
Mit seinem Schwert teilte er den Mantel in zwei Hälften. Eine Hälfte gab er dem frierenden Armen.
In der folgenden Nacht erschien ihm Christus im Traum. Jesus trug den halben Mantel, den Martin dem Bettler geschenkt hatte.
Diese Vision bestärkte Martin in seinem christlichen Glauben. Sie verdeutlichte ihm die Worte aus dem Matthäus-Evangelium: „Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“
Der Mantel wurde später zur Reichsreliquie der fränkischen Könige. Von diesem Mantel (lateinisch cappa) leitet sich das Wort „Kapelle“ ab.
Bischof von Tours und sein Wirken
Nach seinem Militärdienst zog sich Martin zunächst als Einsiedler zurück. Er gründete 361 das erste Kloster des Abendlandes in Ligugé.
Im Jahr 370 oder 371 wurde Martin zum Bischof von Tours gewählt. Der Legende nach versteckte er sich in einem Gänsestall, weil er sich des Amtes unwürdig fühlte.
Die schnatternden Gänse verrieten jedoch sein Versteck. Diese Geschichte erklärt den Brauch der Martinsgans am Martinstag.
Als Bischof festigte Martin die Christianisierung der Landbevölkerung. Er zerstörte heidnische Kultstätten und errichtete Kirchen und Klöster.
Martin galt als Nothelfer und Wundertäter. Sein Biograph Sulpicius Severus berichtet von Totenerweckungen und anderen Wundern.
Er starb am 8. November 397 im Alter von 81 Jahren in Candes. Sein letzter Ausspruch soll gewesen sein: „Den Tod fürchte ich nicht, weiter zu leben lehne ich aber nicht ab.“
Martin wurde am 11. November in Tours beigesetzt. Dieser Tag wurde zu seinem Gedenktag und wird bis heute als Martinstag gefeiert.
Martinstag und Traditionen
Der 11. November bringt jährlich bunte Laternenumzüge in deutsche Städte und Gemeinden, während Familien sich zum traditionellen Gänseschmaus versammeln. Diese Bräuche verbinden das Martinsfest mit der beginnenden Vorweihnachtszeit und der historischen Fastenperiode.
Martinsfest und Laternenumzüge
Am Martinstag ziehen Sie mit Ihren Kindern durch die Straßen und tragen selbstgebastelte Laternen. Die bunten Lichter erhellen die Novemberdunkelheit und erinnern an die christliche Botschaft der Nächstenliebe.
Ein als Sankt Martin verkleideter Reiter führt meist den Umzug an. Dabei singen die Teilnehmer traditionelle Lieder wie „Ich geh mit meiner Laterne“ oder „Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind“.
Der Ursprung dieser Tradition liegt in mittelalterlichen Fackelprozessionen zum Grab des Heiligen Martin in Tours. Bäuerliche Bräuche verstärkten diese Entwicklung: Nach der Ernte entzündeten Menschen Martinsfeuer auf den Feldern.
Kinder steckten Kerzen in ausgehöhlte Rüben und Kürbisse. Mit diesen improvisierten Laternen gingen sie von Haus zu Haus und baten um Süßigkeiten oder Obst – ähnlich dem heutigen Martinssingen.
Die Rolle der Gans am 11. November
Die Gans spielt eine zentrale Rolle in der Martinslegende und auf Ihrem Festtagstisch. Nach der Überlieferung versteckte sich Martin in einem Gänsestall, als die Menschen ihn zum Bischof wählen wollten.
Das aufgeregte Geschnatter der Gänse verriet jedoch sein Versteck. So wurde Martin schließlich doch zum Bischof von Tours gewählt – gegen seinen eigenen Willen.
Kulinarisch hat die Martinsgans praktische Gründe. Der 11. November markierte traditionell den letzten Tag vor der vorweihnachtlichen Fastenzeit. Familien schlachteten ihre Gänse und genossen noch einmal ein üppiges Mahl.
Typische Beilagen zur Martinsgans:
- Rotkohl
- Klöße oder Knödel
- Maronen
- Apfel-Füllung
Heute servieren viele Restaurants spezielle Martinsmenüs. Die Tradition verbindet kulinarischen Genuss mit der Erinnerung an den Heiligen.
Bräuche zur Fastenzeit und Vorbereitung auf Weihnachten
Der Martinstag leitete historisch die sechswöchige Fastenzeit vor Weihnachten ein. Diese „Adventsquatember“ endete erst am 25. Dezember mit dem Weihnachtsfest.
In dieser Zeit verzichteten gläubige Christen auf Fleisch, Eier und Milchprodukte. Deshalb nutzten Familien den 11. November für ein letztes üppiges Festmahl mit Gänsebraten und anderen Fleischspeisen.
Handwerker und Arbeiter erhielten an Sankt Martin oft ihren Jahreslohn ausbezahlt. Pachtverträge endeten traditionell zu diesem Termin, weshalb viele Menschen umzogen oder neue Arbeitsplätze antraten.
Kinder backten Martinswecken oder Stutenkerle – Hefefiguren mit Rosinenaugen, die den Heiligen darstellen. Diese süßen Leckereien versüßten den Übergang in die entbehrungsreiche Fastenzeit.
Das Martinsfest fungierte somit als Brücke zwischen Erntezeit und Weihnachten. Es kombinierte weltliche Freuden mit religiöser Besinnung auf die kommende Adventszeit.
Bedeutung und Verehrung des heiligen Martin
Der heilige Martin von Tours genießt als einer der ersten nicht-märtyrerischen Heiligen eine außergewöhnliche Stellung in der christlichen Welt. Seine Verehrung erstreckt sich über zahlreiche Patronate und hat weltweiten Einfluss entwickelt.
Schutzpatron und Patronate
Martin von Tours trägt eine beeindruckende Vielzahl von Patronaten, die sein Leben als Soldat und Bischof von Tours widerspiegeln. Als Schutzpatron wacht er über Bettler, Arme und Kriegsdienstverweigerer.
Seine militärische Vergangenheit macht ihn zum Patron der Soldaten und Waffenschmiede. Gleichzeitig steht er für Frieden und den Schutz von Randgruppen der Gesellschaft.
Reisende und Reiter suchen seinen Schutz, ebenso wie Haustiere unter seinem Patronat stehen. Diese Vielfalt zeigt, wie umfassend seine Verehrung ist.
Weitere wichtige Patronate:
- Frankreich (Nationalpatron)
- Stadt Tours
- Mainz und andere deutsche Städte
- Schneider und Textilarbeiter
Die Gänse stehen ebenfalls unter seinem besonderen Schutz, was auf die Legende seiner Berufung zum Bischof zurückgeht.
Weltweite Verehrung und Einfluss
Die Verehrung des heiligen Martin begann bereits unmittelbar nach seinem Tod und breitete sich schnell über Europa aus. Er erhielt als einer der ersten Nichtmärtyrer einen offiziellen kirchlichen Kult.
Sein Einfluss reicht weit über katholische Kreise hinaus. Auch protestantische Gemeinden erkennen in Martin ein Vorbild für christliche Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft.
Geographische Verbreitung:
- Deutschland: Laternenumzüge und Martinsspiele
- Österreich: Traditionelle Feiern am 11. November
- Niederlande: Sintmaarten-Feiern
- Belgien: Regionale Festtraditionen
Seine Bedeutung als Symbol für Teilen und Solidarität macht ihn zu einer zeitlosen Figur. In einer globalisierten Welt verkörpert St. Martin weiterhin die Werte von Mitgefühl und sozialer Verantwortung.