Böndeknöpp, Bätstrieh, Donnerkrout
An Mariä Himmelfahrt werden Kräuter gesegnet und in den Häusern aufbewahrt
Von JOACHIM SCHRÖDER
Die Eifel mit ihren zahlreichen Traditionen hat sich bis heute ein besonders schönes Brauchtum bewahrt: Die Segnung der Kräuter am Fest Mariä Himmelfahrt (15. August). Der so genannte "Krautwisch" findet nach der Segnung vielfache Verwendung in Haus und Stall.
Bereits seit einem Jahrtausend erteilt die Kirche am höchsten Marienfeiertag diesen Kräutersegen und jedes Schulkind weiß: "Dan jet de Kroutwisch jesäänt". "Wisch" bedeutet mundartlich "Wedel" - also heißt das Kräuterbündel "Krautwisch". Es umfasst Heil- und Nutzpflanzen, die zu einem dicken Strauß zusammengefasst werden. Die Zusammensetzung des Bündels ist je nach der Region unterschiedlich: In der Nordeifel muss ein Krautwisch Rainfarn und Beifuß besitzen, in der Vulkaneifel gehört die "Königskerze als Marienpflanze" dazu, im Schleidener Land Wiesenknopf ("Böndeknöpp") und Frauenflachs ("Bätstrieh"), in der West- und Südeifel muss es Johanniskraut ("Donnerkraut") und Rackelspfeife ("Dreijrackelspeijf") sein.
Auf jeden Fall beinhaltet ein "richtiger Krautwisch" Nutzpflanzen aus Feld und Garten: Gerste und Roggen, Weizen und Hafer, dazu Möhren, Petersilie, Zitronenmelisse und Lauch. Pfefferminze, Zinnkraut, Wermut, Konblume, Kornrade, Schafgarbe, Margerite, Kamille und Meisterwurz sind unabdingbare Bestandteile des "Wischs". Die Zahl der Kräuter war und ist bis heute umstritten: Einige Heimatforscher nennen sieben, neun oder zwölf (Adam Wrede), andere sprechen vom "Neunkräutersegen" (Heinrich Henrichs) oder von bis zu 72 Kräutern. In einigen Quellen ist sogar von 99 verschiedenen Kräutern die Rede.
Auf jeden Fall soll nach Volkes Meinung im Krautwisch "des Sommers ganze Nähr- und Heilkraft" verkörpert sein. "An Gottes Segen ist alles gelegen" weiß der Volksmund, und so geht man sehr sorgsam mit der Vorbereitung des Bündels um. Vielfach suchte man bei der "Bestellung" des Krautwischs nach "heiligen Zahlen" und religiöser Symbolik.
Der Krautwisch der West- und Südeifel ist ein kleines floristisches Kunstwerk. Dazu ergießt sich ein pralles Aroma aus dem Strauß, der sich mit den vielen anderen buten Sträußen in der Kirche vermischt. Als Messdiener weiß man, welch ein Duft sich im Kirchenraum verströmt. Der Pfarrer segnet während des Gottesdienstes die Bündel mit Weihwasser und spricht ein Gebet.
Nach alter Überlieferung gelten die geweihten Kräuter und Nutzpflanzen als heilsam gegen Krankheiten und Unwetter. So legte man früher beim Neubau Zweiglein unter die Schwelle von Haus und Stall. Bei Gewitter verbrannte man Johanniskraut, das auch "Donnerkraut" heißt, im Herd, um Blitzgefahr abzuwenden. Dazu zündete man Kerzen an und läutete die Kirchenglocken. Auch wurden geweihte Körner aus den Ähren des Getreides unter das Saatgut gemischt, andere Teile des Krautwischs wurden an Stalltiere verfüttert. Auch den häuslichen Arzneien setzte man Kräuter zu, um deren Heilwirkung zu verstärken. In der Westeifel stellte man auch einen "Kräuter-Aufguss" her, der getrunken wurde.
Bis heute wird das häusliche Kruzifix mit Blumen aus dem geweihten Strauß geschmückt. Weiterhin werden Teile des Krautwischs im Stall, in der Scheune und im Schuppen aufgehängt. Schließlich bedachte man sogar die Verstorbenen mit einem "Kreuz aus Krautwisch", wie aus Kronenburg überliefert ist. In Lissingen legte man ganze Sträuße neben einem Kreuz und dem Rosenkranz mit in den Sarg.
Im Brauch des Krautwischs und des "Palmwischs", der am Palmsonntag gesegnet wird, zeigt der Christ seine Verbundenheit mit der Natur und ihrem Schöpfer. "An Gottes Segen ist alles gelegen" - dieser Spruch zierte auch so manchen Küchenschrank im alten Bauernhaus.
HINTERGRUND
Mariä Himmelfahrt (15. August)
Schon vor dem Konzil von Chalcedon im Jahr 451 war in der Ostkirche die Feier der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel, das Fest Mariä Himmelfahrt bzw. In Assumptione B.M.V. in Gebrauch. Mindestens seit dem 7. Jahrhundert hatte die Westkirche dieses Fest am 15. August übernommen. Es wird heute als Hochfest Mariä Aufnahme in den Himmel gefeiert und hat durch die am 1. November 1950 durch Papst Pius XII. erfolgte Dogmatisierung der Aufnahme Mariens mit Leib und Seele in den Himmel einen starken Akzent erhalten. Von allen Marienfesten steht vor allen Dingen Mariä Himmelfahrt in Verbindung mit dem Brauchtum. In anderen Regionen Deutschlands wirdes Großer Frauentag, Maria Würzweih, Büschelfrauentag genannt. Obwohl es auch früher andere Feste gegeben hat, die mit einer Kräuterweihe verbunden waren, ist es heute fast überall nur noch das Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel. (js)
Inhalt mit freundlicher Unterstützung von JOACHIM SCHRÖDER
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Date: Tue, 1 Aug 2006 11:22:34 EDT
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